Höhere Gewalt ab Windstärke 8?

Die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen endet in jedem Fall dort, wo der durch den Baum eingetretene Schaden auf höhere Gewalt zurückzuführen ist. Über das Vorliegen höherer Gewalt im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen herrscht nicht nur bei den Praktikern vor Ort manchmal Unsicherheit. Falsch ist die Annahme, dass es sich bei Unfällen ab Windstärke 8 bereits um höhere Gewalt handle, die allgemein von der Haftung entbinde. Die Konsequenz dieser Ansicht würde dazu führen, dass für einen erkennbar bruchgefährdeten Baum keine Haftung bestünde, sofern er bei Sturm ab Windstärke 8 versagt. Jeder Verkehrssicherungspflichtige könnte also insgeheim darauf hoffen, dass ein Sturm über Windstärke 8 aufkommt und er wäre aller Pflichten für die unsicheren Kandidaten unter seinen Bäumen enthoben.

Unter höherer Gewalt ist generell ein unabwendbares Ereignis zu verstehen, das auch durch Anwendung äußerster, den Umständen nach möglicher und dem Betreffenden zumutbarer Sorgfalt nicht zu vermeiden war.

Höhere Gewalt ist ein objektiver Begriff, der im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen immer nur im Sinn des zitierten Grundsatzurteils des BGH vom 21.1.1965 ausgelegt werden kann. Folglich beruhen Schäden an Bäumen, die bei Sturm ab Windstärke 8 umstürzen, nicht von vorneherein auf höherer Gewalt, sondern nur dann, wenn das Umstürzen des Baumes ein nicht vorhersehbares Ereignis darstellt, dem mit angemessenen und zumutbaren Mitteln nicht rechtzeitig begegnet werden konnte. Im Ergebnis bleiben also allein die fachlichen Kriterien und nicht die Windstärke für die Vorhersehbarkeit von Schäden und die daran geknüpfte Haftungsbegründung entscheidend. Nach dem genannten Urteil des BGH kommt es dabei auf den jeweiligen Stand der Technik und Erfahrungen an, mit dem sich der Praktiker vor Ort ständig aufs Neue vertraut machen muss. Wenn dagegen ein Baum beispielsweise durch Materialverschlechterung ohne äußerlich erkennbares Symptom bei Vorliegen der Optimalgestalt versagt, liegt höhere Gewalt vor, unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt Wind herrschte oder nicht und welche Windstärke herrschte. Andrerseits können bei Sturm auch gesunde Bäume brechen, ohne dass die Bäume aus diesem Grund – wie es heute vielfach wegen überzogener Sicherheitsanforderungen und aus übergroßer Angst vor Haftungsfolgen geschieht – bis auf ein Gerippe zurückgeschnitten beziehungsweise gekappt werden müssen. Eine fachgerechte Baumpflege, auf die im zweiten Teil und auch im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht für Naturdenkmale näher eingegangen wird, führt auch bei älteren und vorgeschädigten Bäumen zu einem ausreichend verkehrssicheren Zustand, der Haftungsfolgen ausschließt, selbst wenn der Baum bei Sturm versagen sollte.

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