Die Vorhersehbarkeit des Schadens

Der Sachverständige muss zu der – haftungsbegründenden – Vorhersehbarkeit des Schadens Aussagen treffen.

Wenn das Unglück geschehen ist, lässt sich der Schaden oft schnell erklären, und nur allzu leicht wird hierbei die Feststellbarkeit des Schadens mit seiner Vorhersehbarkeit gleichgesetzt. Das ist ein schwerwiegender Fehler, der immer zu Lasten des Verkehrssicherungspflichtigen geht und natürlich auch zu Lasten der Bäume. Hätte der gleiche Sachverständige unter dem gleichen Baum vielleicht ein paar Wochen vor dem Unfall gestanden und wäre um seine Stellungnahme gebeten worden, so wäre diese unter Umständen völlig anders ausgefallen, weil die durch den Unfall zutage getretenen Schäden noch verdeckt waren.

Diese Problematik hat der BGH bereits in einem Urteil vom 21.2.1961 angesprochen. Dort heißt es: „Der Umfang der gebotenen Überwachung und Sicherung kann nicht an dem gemessen werden, was zur Beseitigung jeder Gefahr erforderlich gewesen wäre; denn es ist nicht möglich, den Verkehr völlig gefahrlos zu gestalten. Deshalb kann aus der Tatsache… des Unfalls allein nicht auf ein Pflichtversäumnis geschlossen werden.“

Zur Vorhersehbarkeit der Schadens hat das OVG Münster in einem Urteil vom 8. Oktober 1993 treffend festgestellt: „Ob ein alter und bereits vorgeschädigter Baum etwa künftig bei Unwetter oder Stürmen umstürzen, auseinanderbrechen oder jedenfalls Äste von beachtlichem Gewicht verlieren und damit Gefahren für Personen und Sachgüter verursachen wird, lässt sich in aller Regel nicht mit an Sicherheit grenzender oder auch nur überwiegender Wahrscheinlichkeit prognostizieren.“

Hier hatte sich das OVG Münster mit Fragen des Baumschutzes zu befassen, wobei es überzogenen Sicherheitsanforderungen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht eine Absage erteilte und insbesondere Kronenrückschnitte, die zu einer Verstümmelung des Baumes führen, ablehnte.

Hinsichtlich der Vorhersehbarkeit des Schadens ist auch zu unterscheiden zwischen einer theoretischen und einer konkreten Gefahr.

Das OLG Köln hatte beispielsweise in einem Urteil vom 11. Juni 1992 Feststellungen zur Vorhersehbarkeit von Schäden getroffen, die für den Baumkontrolleur vor Ort wichtig sind. Das OLG Köln sah allein im Alter eines Baumes (hier von etwa 100 Jahren bei einer Eiche) noch keinen Grund zur Durchführung besonderer Kontrollmaßnahmen. Dazu gibt es heute eine teils abweichende Rechtsprechung, auf die zum Thema Alter näher eingegangen wird. Das OLG Köln begründete die Abweisung der Schadensersatzklage damit, dass kein Grund zu einer eingehenden Untersuchung bestand und bei einer Sichtkontrolle das spätere Herabstürzen des vollbelaubten Astes nicht vorhersehbar war. In diesem Zusammenhang wird auch auf das Phänomen des Sommerbruchs grüner Äste verwiesen. Das OLG Köln hatte im Gegensatz zu seiner ansonsten strengen Rechtsprechung in seinem Urteil nicht nur erstmals Bäume unter Umweltaspekten betrachtet, sondern auch hinsichtlich der Vorhersehbarkeit des Schadens die für den Baumkontrolleur vor Ort wichtige Entscheidung zwischen theoretischer und konkreter Gefahr getroffen. In den Entscheidungsgründen heißt es dazu:

„Der Umstand, dass der Ast in den Luftraum über der Straße hineinragte und relativ groß war, vermag für sich allein keine Verpflichtung zur Beseitigung zu begründen. Die gegenteilige Ansicht würde dazu führen, dass alle Äste und Zweige von Bäumen auch dann, wenn sie gesund und nicht erkennbar absturzgefährdet sind, vorbeugend abgesägt werden müssten, da zumindest die theoretische Gefahr besteht, dass sie Straßenbenutzer schädigen können. Eine so weitgehende Verpflichtung zum Beschneiden von Bäumen besteht jedoch nicht. Sie würde weit über das hinausgehen, was dem Verkehrssicherungspflichtigen zugemutet werden kann und würde auch nicht der Bedeutung gerecht, die den Bäumen unter Umweltaspekten zukommt.“

Wie im Gegensatz dazu die konkrete Gefahr zu beurteilen ist, hat das VG Düsseldorf in einem Urteil vom 4. Mai 1994 im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht bei geschützten Bäumen – vergleichbar mit dem genannten Urteil des OVG Münster – ausgeführt. Danach setzt eine konkrete Gefahr voraus, dass der Eintritt eines Schadens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Wann diese Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit der Vorhersehbarkeit von Schäden durch Bäume vorliegt, beurteilte das Verwaltungsgericht nach baumfachlichen Aspekten, in diesem Fall mit Hilfe von VTA.

Ebenso hatte das OLG Düsseldorf in dem bereits zitierten Urteil vom 27. Oktober 1994 zum Astausbruch aus einer Pappel entschieden, dass sich eine Verletzungsgefahr nicht bereits durch die „ generelle ‚Ungeeignetheit‘ einer Baumart“ manifestiere, sondern „erst durch die konkrete Gefahr, die von einem Baum ausgeht. Allein der ‚soziale Abstieg‘ indiziert eine solche Maßnahme (hier: prophylaktischer Kronenrückschnitt, Anm. d.Verf.) nicht, konkrete weitere Anhaltspunkte müssen hinzukommen.“ (Siehe hierzu die BGH-Entscheidung III ZR 352/13, vom 6.März 2014)

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